Sonntag ist der Tag der Abreise, zumindest Tausende Thüringer, die die Woche über fernab ihrer Heimat arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Für den Waltershäuser FDP-Ortsvorsitzenden Christian Döbel ist das nach 25 Jahren Wiedervereinigung eines der größten Probleme, die die Politiker im Freistaat zu lösen haben. "Doch leider überschattet derzeit scheinbar die Flüchtlingspolitik viele Themen, die die Bürger in Thüringen beschäftigt." Familien sind auch im Freundeskreis von Christian Döbel zerbrochen, Väter fast zu Fremden für ihre Kinder und Mütter fast zu Alleinerziehenden geworden. Am Ende leiden alle sehr darunter.
"Meine Frau und ich sind jahrelang nach Ludwigsburg gependelt.", spricht Döbel dabei aus eigener Erfahrung. "Nicht nur das wahnsinnige Risiko, Freitag nach der Arbeit vier Stunden auf der übervollen Autobahn zu verbringen, sondern auch der Verlust eines ganzen Arbeitstags Woche für Woche durch An- und Abreise zerreißen einen einfach auf Dauer." Nach der Geburt ihrer ersten Tochter noch im Schwabenland hat sich Christian Döbel auf die Suche nach Arbeit in Thüringen gemacht, der Umzug zurück in die Heimat erfolgte kurz darauf. "Die Politik des Freistaats hat - neben tollen Absichtserklärungen - hier keinerlei sinnvolle Hilfe angeboten", erinnert sich Döbel. Nach seiner Auffassung wird das Problem von der Regierung einfach nicht ernst genug genommen. Bei den Pendlern handelt es sich schließlich in der Regel um gute Steuerzahler für Thüringen und viele Debatten drehen sich eher darum, deren hart erwirtschaftetes Geld mit vollen Händen wieder auszugeben. Eine Würdigung deren Leistungen und Entbehrungen wären nach Döbels Ansicht viel nötiger, auch deren Familien sollten besser unterstützt werden.
Eine Lösung wäre für den dreifachen Familienvater ein neuartiges Arbeitsmodell, bei dem ein gleitender Übergang vom Pendeln auf einen heimischen Arbeitsplatz vorgesehen ist. So könnte die Politik Unternehmen in Thüringen unterstützen, vermeintliche Nachteile (u. a. finanzieller Art) für den Arbeitnehmer zunächst auszugleichen, um ihn von den Vorteilen des Freistaats, vor allem der Kinderbetreuung und der Freizeitgestaltung, zu überzeugen. Auch die sinnvolle Vernetzung von Forschung und Innovation mit der Industrie kann neue, besser bezahlte Jobs bringen. Viele Unternehmen sind meist einfach zu klein, um aus eigener Kraft Netzwerke mit Leben zu erfüllen, ist Döbels Erfahrung, der als leitender Ingenieur berufsbedingt mit etwa hundert Unternehmen im Freistaat kooperiert. Dazu kommt der überhand nehmende bürokratische Aufwand, der eher Innovationen abschreckt als fördert.
Allein durch ehrliche Wertschätzung und wirkliche Anreize können nach Döbels Erfahrungen Anreize auch für Fachkräfte, sich in Thüringen wieder anzusiedeln, geschaffen werden. Und die Grundlage für die Zukunft dieses Landes sind stabile Familien, die nicht ständig auf Messers Schneide stehen. "Sonntagabend zerreißt es mir oft das Herz, wenn ich an die Mütter und Väter und - vor allem - an die vielen Kinder denke, die sich wieder verabschieden müssen."
"Ein fahrlässiges weiter so ist für mich die derzeitige Politik, die aus meiner Sicht noch mehr junge, nicht zuletzt gut ausgebildete Menschen aus Thüringen vertreibt, so wie viele meiner eigenen Ingenieursstudenten. Das habe ich Matthias Hey (SPD) bereits vor wenigen Monaten am Telefon mitgeteilt, auch wenn ich nicht das Gefühl hatte, dass er es verstanden hat.", bedauert Döbel.